Leitbild des Gewerbezentrums
Das traditionelle ökonomische Leitbild unterscheidet nicht zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer. Beide sind demnach voll „mündig“ und selbst zu Entscheidungen fähig, willens und in der Lage (Homo oeconomicus).
Hingegen zeichnet das aktuelle Verbraucherleitbild ein anderes Bild. Denn legt man Studien über das tatsächliche Verbraucherverhalten zugrunde, so wird deutlich, dass der Verbraucher nicht nur auf Informationen des Unternehmers angewiesen ist, sondern auch nur eine bestimmte Menge an Information verarbeiten kann (information overload) und zudem auch nicht immer rational handeln kann. Diese Erkenntnisse nutzt die Anbieterseite, indem sie in ihrer Werbung nicht umfassend und objektiv über ihre Produkte informiert. Auch sind die Unternehmer unter Nutzung psychologischer Erkenntnisse bestrebt sachlich nicht begründete Kaufanreize unterschwellig zu transportieren und den Verbraucher zum schnellen unkontrollierten Geschäftsabschluss zu drängen.
Aus Sicht des Verbraucherschutzes begründet sich das Leitbild des schutzbedürftigen Verbrauchers, weil dieser den Anbietern von Produkten und Dienstleistungen strukturell unterlegen ist. Der Verbraucher hat grundsätzlich zum einzelnen Kauf nicht das gleiche Fachwissen und die diesbezüglichen Überprüfungsressourcen wie der allenfalls international tätige Unternehmer, dessen tägliches Geschäft das jeweilige Feld ist. Zwischen Unternehmer und Verbraucher besteht also eine gewisse „Ungleichsgewichtslage“ und ein Macht- und Informationsgefälle, welches durch das Verbraucherrecht ausgeglichen werden soll. Dieses Leitbild beim Verbraucher (mangelnde Rechtskenntnis, wirtschaftliche Unterlegenheit, psychologische Hindernisse, unübersehbares Warenangebot) hat sich auch in der Arbeit des Gesetzgebers weitgehend durchgesetzt.
Im deutschen Recht gibt es kein gesondertes „Verbraucherschutzgesetz“, das alle Fragen des Verbraucherrechts regeln würde. Rechtsnormen, die hauptsächlich oder „nebenbei“ Zielen des Verbraucherschutzes dienen, gibt es in sehr vielen Einzelgesetzen. Oft überschneidet sich die Zielsetzung des Verbraucherschutzes auch mit anderen Zielsetzungen. Dies liegt daran, dass der Konsument nur in bestimmten sozialen Zusammenhängen als „Verbraucher“ betrachtet wird. Die gleichen Personen können der gleichen Gefährdung auch in einem anderen Zusammenhang ausgesetzt sein, z. B. als Arbeitnehmer. Eine Vorschrift, die den Umgang mit einer Chemikalie regelt, kann deswegen sowohl dem Arbeitsschutz dienen als auch dem Verbraucherschutz und womöglich auch noch dem Umweltschutz. Als Rechtsgebiet ist der Verbraucherschutz nicht eindeutig abgrenzbar. Die folgende Aufzählung von Verbraucherschutzvorschriften des deutschen Rechts ist deshalb nicht abschließend und enthält insbesondere im öffentlichen Recht auch Normen, die zugleich andere Zielsetzungen verfolgen.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gehören dazu die Regelungen zu unbestellten Leistungen (§§ 241a), die Vorschriften über die Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen (§§ 312, bis 312k), die Regelungen zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen (§ 355, bis 361), die Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 bis 479), zu Teilzeit-Wohnrechteverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungsverträgen und Tauschsystemverträgen (§§ 481 bis 487), zu Verbraucherdarlehnsverträgen (§§ 491 bis 505), ebenso die Regelungen über Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 506 bis 509) und über Ratenlieferverträge (§ 510) sowie Vorschriften zur Unabdingbarkeit und Anwendung auf Existenzgründer Verbraucher (§§ 511 bis 512), die Regelungen zur Vermittlung von Verbraucherdarlehensverträgen (§§ 655a bis 655e), zu Gewinnzusagen (§§ 661a), zu Wertstellungsdatum und Verfügbarkeit von Geldbeträgen (§§ 675t). Auch die Vorschriften zum Mieterschutz im Wohnraummietrecht (§§ 549 bis 577a) zählen zum Verbraucherrecht im weiteren Sinn. Viele weitere Vorschriften des Bürgerlichen Rechts lassen sich nicht eindeutig dem Verbraucherschutz zuordnen, weil sie den Ausgleich typischer Interessengegensätze zwischen Vertragsparteien bezwecken und damit nicht ausschließlich Schutznormen zugunsten des Verbrauchers sind, sondern generell den Vertragspartner schützen wollen. Zu diesen Vorschriften gehören z. B. diejenigen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 bis 310).
Viele Formvorschriften sind auch vom Verbraucherschutz motiviert, z. B. die Notwendigkeit, einen Grundstückskaufvertrag von einem Notar beurkunden zu lassen (§ 311b Abs. 1 BGB). Damit soll für Verträge, die typischerweise zu hohen Summen und mit der Absicht dauerhaften Eigentumserwerbs geschlossen werden, die fachkundige Beratung durch den beurkundenden Notar sichergestellt werden. Daneben bestehen eindeutig dem Verbraucherrecht zuzuordnende Formvorschriften wie z. B. die Schriftform für Teilzeitwohnrecht- und Verbraucherdarlehensverträge, aber auch die Textform für Belehrungen des Verbrauchers über das bei bestimmten Vertragsarten (Verbraucherdarlehen, Teilzeit-Wohnrechteverträg) bzw. Vertriebswegen (z. B. Haustürgeschäfte, Fernabsatzverträge) bestehende Widerrufsrecht.
Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung (InsO) Anfang 1999 besteht eine Möglichkeit zur Zahlungs-Entpflichtung (Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO) durch Gerichtsbeschluss für überschuldete Verbraucher nach Abschluss eines mindestens sechsjährigen Verbraucher-Insolvenzverfahrens.
Auch das Wettbewerbsrecht (geregelt vor allem im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG), das früher nur die Mitbewerber untereinander schützte und die Belange des Verbrauchers nur indirekt (reflexartig) in den Blick nahm, hat nach heutiger Rechtslage eine verbraucherschützende Aufgabe (so ausdrücklich § 1 UWG).
Die Verbraucherzentralen haben in Deutschland gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 Rechtsdienstleistungsgesetz (seit 1. Juli 2008, davor § 3 Nr. 8 Rechtsberatungsgesetz) das Recht zur außergerichtlichen Rechtsbesorgung und können so im Rahmen ihres Aufgabenkreises neben Rechtsanwälten Verbraucher außergerichtlich beraten und vertreten.